Stationen im Licht

STATIONEN IM LICHT – Ostern bis Pfingsten
Nachdem in der Fastenzeit die Stationen des Kreuzweges beleuchtet und meditiert worden sind, stehen in der Osterzeit die in der Vierung unter der Kuppel angebrachten Reliefs, die die Evangelisten zeigen, im Mittelpunkt. In jeder Woche wird die Auferstehungserzählung eines Evangelisten ‚in einem neuen Licht‘ betrachtet (Mt, Mk, Lk, Joh);
anschließend richtet sich ab Christi Himmelfahrt der Blick mit der Heilig-Geist-Darstellung im Schalldeckel der Kanzel auf das Pfingstereignis.
(Installation: Wieland Müller-Haslinger; Text: Cedric Büchner).


GOTTESSCHREI - Karfreitag

Was für ein Mensch!
Was für ein Gott!
Welch dunkle Offenbarung!

Nach dem Weg der Entblößung und Hassrede
Kreuzigung in der dritten Stunde (Mk15,25).
In der sechsten Stunde hört die Welt dann auf zu atmen (Mt 27,45).

Finsternis bis zur neunten Stunde.
Geflüstert: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Mt 27,46).

Dann das Wunder:
der laute Schrei!
Wunder.
Nach so langer Tortur und Qual
schreit keiner mehr
weil der Atem fehlt.
Ein Erstickender schreit nicht.

Dennoch: lauthallender Schrei,
der die Erde beben lässt.
Für den Heiden, den Nichtjünger:
Offenbarung Gottes:
„Wahrlich das war Gottes Sohn“ (Mt 27,54).

Was für ein Mensch!
Der Gekreuzigte ist noch da unter uns
verhüllt
enthüllt.
Deswegen sind wir hier.
Und sein Schrei,
die unerhörte Kraft seines Schreis
vereinigt sich mit jedem Schrei
von Menschen, die niemand hört.
Nicht Hassrede, nicht Empörung,
nicht Ge-Schrei,
nur: SCHREI.
Der ganze Atem Gottes
liegt in diesem wortlos nacktem Schrei.

Der entblößte Mann am Kreuz ist es,
der uns anschaut uns die Nackten.
Wir halten diesem Blick stand.
Wir verehren mit den namenlosen Heiden
das Kreuz mit dem armen Leichnam, den es trägt.
Weil wir hören den Schrei, der auch der unsere ist
unerhört in einer bebenden Welt.
Gottesschrei.

Wir bleiben.
wir halten aus.

Wir leben für das Kommende,
das wir noch nicht kennen.
Wir sagen später Ostern dazu.
(Text: Pfr. Thomas Schwaiger)


Siebte Station

Jesus fällt das zweite Mal

Es wiederholt sich der Kampf des Menschen:
im Tragen des Untragbaren
das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
„Stehen bleiben und sich umdrehen hilft nicht:
Es muss gegangen sein.“ (Hilde Domin)

Auf dem Weg des Kreuzes: Menschen
in hilflos kraftloser Geste oder als Stütze.
Was ist das?
Ist es Mitleid?

Es gibt eben zweierlei Mitleid.
Das eine, das schwachmütige und sentimentale,
das eigentlich nur Ungeduld des Herzens ist,
sich möglichst schnell freizumachen
von der peinlichen Ergriffenheit vor einem fremden Unglück,
jenes Mitleid, das gar nicht Mitleiden ist,
sondern nur instinktivere Abwehr
des fremden Leidens von der eigenen Seele.
Und das andere, das einzig zählt - das unsentimentale,
aber schöpferische Mitleid, das weiß, was es will,
und entschlossen ist,
geduldig und mitduldend alles durchzustehen
bis zum Letzten seiner Kraft
und noch über dies Letzte hinaus.
(Stefan Zweig, Ungeduld des Herzens)

Auf dem Weg Jesu:
Wir können nicht in die Gedanken derer schauen,
die dabei sind.
Wir wissen nicht, was sie denken und fühlen.
Ein Soldat gibt Jesus Halt; wir wissen nicht warum.
Er tut es.

Im Tragen einander schweigend geduldig beistehen:
Ohne Warum.
Ohne Erklärung.
Tat.

„HERR, es ist Zeit zu TUN.“ (Ps 119,126)
(Text: Pfr. Thomas Schwaiger)


Sechste Station

Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Das entstellte Antlitz des Leidenden
drückt sich ein
in das Tuch der Veronika.
VERA ICONA - WAHRE IKONE
sagt die Tradition zu diesem Schleier.

Es sind die Gesichtszüge aller Leidenden
und Gequälten,
die in dieser Ikone sich vereinen,
die Schweißspuren allen Tragens.
Auch die Lebensspuren meines Gesichtes.

Inwendig höre ich:

Wenn Du sagt:
es ist zu wenig,
dann gib das wenige,
das dir heilig und geblieben ist,
in die Mitte
und umgib es mit Gold
und lass es glänzen.
Male die Ikone deines Lebens.

Ich schaue auf mein Spiegelbild
und sehe das Antlitz Jesu.

Und ich bete mit allen Menschen:
„Gott - stelle uns wieder her
lass dein Angesicht leuchten
und wir sind gerettet.“ (Ps 80,4)

(Text: Pfr. Thomas Schwaiger)


Fünfte Station

Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

Simon von Cyrene ist auf dem Weg
von der Feldarbeit nach Hause.
Jesus trägt sein Kreuz zur Stätte seines Todes.
Zwei Wege kreuzen sich.

Simon ist nicht der „barmherzige Samariter“.
Er wird genötigt (!), das Kreuz eines Fremden zu tragen.

Der „Kreuzträger“:
Ist er als Henkersgehilfe auf Seiten der Schergen -
oder auf der Seite Jesu, indem er mitträgt?
Das ist nicht eindeutig.

Mit Simon von Cyrene bin ich unterwegs
in der „Feldarbeit“ meines Lebens.
Mit einem Mal ist alles anders.
Ich bin genötigt ein Kreuz zu tragen:
das Kreuz eines anderen.
Fliehen geht nicht - das weiß ich.

Wir sind durch solches Tragen verbunden.
Das Kreuz schweißt zusammen - wie auch immer.
Auch wenn wir es nicht begreifen:
„Einer trage des anderen Last.“ (Gal 6,2)

Das ist etwas anderes als Barmherzigkeit.

(Text: Pfr. Thomas Schwaiger)


Vierte Station

Jesus begegnet seiner Mutter

Vor wenigen Wochen:
das Bild der Weihnachtskrippe mit Maria, Josef und dem Kind.

JETZT
ist Maria dabei, als ihr Sohn das schwere Kreuz trägt:
ganz nah, mit Blickkontakt.

„Mir geschehe, wie du gesagt hast“ (Lk 1,38) -
das ist Mariens Herzensunterschrift unter beide Bilder.
Erst Einverständnis mit der Geburt,
jetzt mit dem Tod. „Mir geschehe…“

Maria flieht nicht.
Sie widersteht nicht.
Sie bleibt.

Vielleicht hört sie die weihnachtliche Stimme des greisen Simeon:
„Deine Seele wird ein Schwert durchdringen“ (Lk 2,35)
Das Schwert des Schmerzes bleibt uns nicht erspart.
Wir sollten an den Klang unseres Beginnens zurückgehen:
dorthin wo unser Weg begann,
dorthin, wo wir zuerst sagten:Mir geschehe.
Was dann geschah und weiter geschieht
ist Erfüllung dieses Wortes.
Wir sollten BLEIBEN, auch zusammenbleiben,
wenn wir am Ende sprachlos sind.

Auch wenn Bleiben in den Abschied führt.

Mit Maria hören wir Jesu Wort:
Bleibt in mir und und ich bleibe in euch. (Joh 15,4)
(Text: Pfr. Thomas Schwaiger)


Dritte Station

Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Wir stöhnen auf,
wenn die aktive Kraft der Reserve und des Handelns versiegt.
„Es geht dahin ...“
Das ist Wort, wenn Menschen nichts mehr in der Hand haben
und die Beine versagen.

Dann fallen wir.

Der Sturz selbst ist schlimm,
schlimmer als die Schmerzen.
Unser Selbstbild ist beschädigt:
etwas an mir hat nicht gereicht.
So meinen wir.

Bin ich schuld?
Sind es andere?
Das tut nichts zur Sache.

So bin ich - so ist der Mensch:
sturzgefährdet.

Wer stürzt ist am Ende;
erst mal am Ende, auch wenn es weiter geht.
Dann sagen wir: Noch einmal gut gegangen.

Aus eingebrannter Sturzerinnerung bete ich mit dem gefallenen Jesus:

Stütze mich nach deinem Spruch, dass ich lebe!
Lass mich nicht zuschanden werden in meiner Hoffnung! (Ps 119,116)
(Text: Pfr. Thomas Schwaiger)


Zweite Station

Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schulter

Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus, führten ihn in das Prätorium, das Amtsgebäude des Statthalters, und versammelten die ganze Kohorte um ihn. Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Dann flochten sie einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und gaben ihm einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn, indem sie riefen: Heil dir, König der Juden! Und sie spuckten ihn an, nahmen ihm den Stock wieder weg und schlugen ihm damit auf den Kopf. Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Mantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an.

"Du trägst dein Kreuz.
Und jeder, der im Vertrauen auf dich sein Kreuz auf sich nimmt,darf erfahren: Ich bin nicht allein!
Du trägst mich und mein Kreuz!"
(aus "Das christliche Hausbuch")


Erste Station

Jesus wird zum Tode verurteilt

Pilatus sagte zu ihnen: Was soll ich dann mit Jesus tun, den man den Messias nennt? Da schrien sie alle: Ans Kreuz mit ihm! Er erwiderte: Was für ein Verbrechen hat er denn begangen? Da schrien sie noch lauter: Ans Kreuz mit ihm! Darauf ließ er Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.

"Wie oft geschieht es auch heute: Menschen verurteilen und verspotten einander, machen einander fertig, geben dem anderen keine Chance. Menschen zeigen auf das Schlechte im anderen, um selbst besser dazustehen."
(aus "Das christliche Hausbuch")

(Bildnachweis: Restaurierungswerkstatt Landskron, Regensburg)