Wie kommt Dietrich Bonhoeffer in die Krippe?

Annette Krauss baut seit 2007 die Jahreskrippe von St. Ursula. Zum ersten Mal hat sie jetzt nicht eine Szene aus der Heiligen Schrift umgesetzt, sondern eine aus dem 20. Jahrundert. Warum? Interview mit der Krippenbauerin.

Was ist denn das für ein Pfingst-Ereignis in diesem Jahr: Ein Mann an einem Bett vor einem Kruzifix?

Das ist der evangelische Pfarrer Dietrich Bonhoeffer in der Haftanstalt Tegel 1943. Er wurde vor 75 Jahren im KZ Flossenbürg erhängt.

Wie sind Sie darauf gekommen?

Durch die Lesung von Gregorij von Laetis zum Gedenken an das Kriegsende am 8. Mai. Mein Mann und ich haben den Livestream aus St. Ursula verfolgt, und die Texte haben in mir sofort etwas bewirkt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich als Evangelische sehr freue, dass Bonhoeffer jetzt auch von Katholiken so geehrt wird.

Was hat Sie bei der Lesung so sehr angesprochen?

Vor allem der Brief zu Pfingsten 1943, als er traurig in seiner Zelle sitzt und es dann schafft aus dieser Traurigkeit auszubrechen und in Gedanken rauszugehen aus der Zelle, an die Menschen zu denken, die er liebt, und dann ganz für sich und gleichzeitig für die anderen einen Gottesdienst zu feiern.

Wie haben Sie das dann umgesetzt in der Krippe?

Das war gar nicht so einfach, weil die Krippen-Figuren alle orientalisch aussehen. Deshalb habe ich Bonhoeffer vom Zuschauer weggedreht, damit man nicht sieht, dass die Figur eigentlich einen Bart hat. Er schaut jetzt mit uns aufs Kreuz, und das ist ziemlich eindrucksvoll, finde ich. Außerdem hatte ich keine Kleidung des 20. Jahrhunderts.

Wie haben Sie das gelöst?

Ich habe aus einen Hosenstoff eine Hose geschneidert und aus einem alten liturgischen Tuch das Hemd. Das war genau die richtige Verwendung für dieses Korporale-Tuch vom Altar, das ich vor kurzem erhalten hatte, weil diese Tücher erneuert wurden. Ich finde, in dieser Szene findet es einen wunderbaren neuen Einsatz.

Inwiefern?

Bonhoeffer verliert in der Haft und im KZ, bis zu seiner Ermordung, nicht den Mut und sein Gottvertrauen. Ich finde, das muss doch das Wirken des Heiligen Geistes gewesen sein. Das habe ich bei der Lesung so empfunden und in der aktuellen Krippenszene umgesetzt.

Worauf kam es speziell bei dieser Szene an?

Den Raum klein zu machen. Auf der Fläche standen bis vor kurzem alle Jünger, die sich um Jesus scharten, als er ihnen als Auferstandener erschien und Thomas zweifelte und in die Wunden fasste. Jetzt geht es um nur einen einzigen Mann in einer winzigen Zelle.

Wie haben Sie das inszeniert?

Indem ich versucht habe, das Licht zu reduzieren. Dunkelheit macht den Raum eng, nur das pfingstliche Licht von oben soll einfallen.

Machen Sie das jetzt öfter? Krippen-Szenen in aktuelle Welten setzen?

Ich weiß es nicht. In der Bürgersaalkirche in der Innenstadt, wo ich ja auch Krippenszenen baue, machen wir das regelmäßig. Ich lasse mich aber gern auch überraschen. Ich fand es sehr schön, dem Impuls der Lesung zu folgen.

Interview: Gerd Henghuber

Die Lesung von Gregorij von Laetis aus Werken von Dietrich Bonhoeffer am 8. Mai in St. Ursula können Sie hier nachhören.